Grüne Impulse aus Löbau: URBACT-Study-Trip zeigt Wege zur Revitalisierung ungenutzter Orte

Edited on 24/04/2025

Former pasta factory in Löbau

Ehemalige Anker Teigwarenfabrik in Löbau © Deutsche Kontaktstelle URBACT

Das URBACT-Netzwerk GreenPlace setzt sich für die Wiederbelebung ungenutzter Orte ein – mit partizipativen Ansätzen und einem Fokus auf die Schaffung und Erhaltung von Grünflächen. Anfang April 2025 fand in Löbau in Sachsen auf Einladung des Bürgermeisters Albrecht Gubsch ein Study Trip zum Thema statt, den wir als Nationale URBACT-Kontaktstelle begleiteten.

Vor Ort erhielten wir durch die Organisation der Koordinatorin der lokalen URBACT-Arbeitsgruppe, Julia Bojaryn, und Anna Gumbert der Stadt Löbau, Einblicke in unterschiedliche Revitalisierungen ungenutzter Orte: Wir erlebten die positiven Effekte einer Landesgartenschau auf ihr städtisches Umfeld aus erster Hand und besichtigten das berühmte Haus Schminke, ein Meisterwerk des Architekten Hans Scharoun, sowie die benachbarte, denkmalgeschützte ehemalige Nudelfabrik. Letztere steht im Mittelpunkt des lokalen Engagements innerhalb des URBACT-Netzwerks GreenPlace: Die Stadt Löbau arbeitet an Konzepten für ihre künftige Nutzung. Der Study Trip in Löbau zeigte den Wert europäischer Zusammenarbeit: Der Austausch mit anderen Städten inspirierte und eröffnete neue Perspektiven. Alle Teilnehmenden kehrten mit frischen Ideen und konkreten Ansätzen für ihre Projekte zurück. 

Transformation ehemaliger Industrieflächen: Die Sächsische Landesgartenschau in Löbau

Die Sächsische Landesgartenschau 2012 in Löbau ist ein gelungenes Beispiel für die Transformation eines ehemaligen Industriegebiets. Nach der Wende mussten viele Fabriken in den neuen Bundesländern schließen, darunter auch eine Zucker- und eine Textilfabrik in Löbau. Dies hinterließ rund 20 Hektar brachliegende Fläche, die schlecht gelegen und von Asbest belastet war. Die Stadt Löbau konnte diese Flächen für einen Euro erwerben und sich so für die Förderung durch den Freistaat Sachsen zur Ausrichtung der Landesgartenschau bewerben. 2008 gewann das Berliner Landschaftsarchitektenbüro „hutterreimann“ den Ideen- und Realisierungswettbewerb zur 6. Sächsischen Landesgartenschau. „Man braucht Geduld, eine klare Strategie und auch ein bisschen Glück, um ein Projekt wie dieses erfolgreich umzusetzen“, sagte Holm Belger, ehemaliger Amtsleiter der Stadt Löbau, der am Prozess der Gartenschau für den Bereich Bauen und Stadtentwicklung mitwirkte.

Mehr als ein Park: Bleibende Wirkung der Landesgartenschau auf Löbau 

Im Rahmen der Landesgartenschau wurde auf der ehemaligen Industriefläche ein Park mit gärtnerischen und kulturellen Angeboten geschaffen. Dabei wurden die ehemaligen Nutzungen stets in die gärtnerische Gestaltung integriert, sichtbar gemacht und wiederverwendet. So etwa wurden die Absetzbecken, in denen früher der beim Waschen der Zuckerrüben anfallende Schlamm abgesetzt wurde, zu thematischen Erlebnisbereichen im Gelände umgestaltet. Mehr als 450.000 Besucher kamen zur Gartenschau, die einen wichtigen Impuls für die nachhaltige Stadtentwicklung in Löbau darstellte, wie auch Julia Bojaryn, Koordinatorin der lokalen Arbeitsgruppe des URBACT-Projekts (URBACT Local Group, ULG) in Löbau, betonte. Durch das Projekt konnten unter anderem neue Brücken und Straßen gebaut sowie das Freibad Herrmannbad saniert werden – alles Maßnahmen, die der lokalen Bevölkerung zugutekommen. Die neugestalteten Flächen fanden schnell Anklang und wurden von vielen für Picknicks und als Erholungsfläche genutzt. Auch heute wird neben der Grünfläche die ehemalige Zuckerfabrik als Veranstaltungsort für Konzerte, Messen und Firmenevents genutzt, was zur wirtschaftlichen Entwicklung des Standorts beiträgt.

 

Teilnehmende des URBACT-Netzwerks GreenPlace bei der Besichtigung der Landesgartenschau in Löbau © Deutsche Kontaktstelle URBACT

 

Der Nudeldampfer von Löbau – Ein Meisterwerk der Moderne

Der Nudel-Fabrikant Fritz Schminke ließ sich in Löbau in den 1930er Jahren ein ganz besonderes Wohnhaus errichten. Mit dem Architekten Hans Scharoun, einem engen Freund der Familie, schuf er ein Gebäude, das heute als eine der bedeutendsten Architekturikonen der Zwischenkriegszeit gilt – gleichrangig mit Werken von Frank Lloyd Wright, Le Corbusier oder Mies van der Rohe. Das Haus Schminke erinnert mit seiner stromlinienförmigen Architektur an ein futuristisches Passagierschiff. Deswegen und aufgrund der benachbarten Nudelfabrik von Fritz Schminke wurde es bald als „Nudeldampfer“ bei den Löbauern bekannt. Scharoun setzte auf eine damals revolutionäre Stahlskelettbauweise, die vom Industriebau inspiriert war. So schuf er maximale Offenheit und Flexibilität im Wohnraum. Nach der Enteignung zu DDR-Zeiten diente das Haus unter anderem als sozialistisches Freizeitzentrum für Schulkinder in der DDR, als Pionierhaus. Heute jedoch ist das Haus dank der Stiftung Haus Schminke restauriert und wieder öffentlich zugänglich. 

Haus Schminke in Löbau © Deutsche Kontaktstelle URBACT

 

„FABRIK reanimiert“: Ehemalige Nudelfabrik als neuen Wohlfühlort

Die Anker Teigwarenfabrik in Löbau entwickelte sich dank vieler An- und Umbauten zu einem markanten Industriedenkmal. Die modernen Umbauten der 1930er-Jahre wurden unter anderem von Hans Scharoun geprägt. Gegründet 1874, beschäftigte das Unternehmen in den zwanziger Jahren rund hundert Menschen und betrieb Depots in den meisten großen Städten Mittel‑ und Ostdeutschlands. Als volkseigener Betrieb lief die Produktion auch in der DDR weiter und endete erst danach im Jahr 1992. Im Anschluss diente das Gelände kurz als Lehrbauhof, stand danach acht Jahre leer, und ging schließlich an die Stadt Löbau. Nun soll die ehemalige Fabrik wieder belebt werden und im engen Zusammenspiel mit dem benachbarten Haus Schminke gedacht werden.

Pilotaktionen in der Fabrik mit URBACT: Test-Nutzungen, Erinnerungen und Feste

Im Rahmen des URBACT-Netzwerks fanden eine Reihe von Veranstaltungen in der Nudelfabrik statt, die den Ort bei den Löbauer:innen wieder bekannt machen sollten, und Ideen für Nutzungen sammeln sollten. Im Winter 2023 beispielsweise lud die Aktion „Weihnachten in der Nudellei“ die Löbauer zum Eisstockschießen, Glühwein und zum Sammeln von Wünschen ein; mehr als zweihundert Ideen flossen so in das Projekt zur Wiederbelebung der Fabrik ein. 2024 folgen drei weitere Veranstaltungen sowie eine Bewerbungsrunde, in der Künstler:innen, Handwerker und Vereine einen Raum der alten Fabrik vorübergehend bespielen können, um Möglichkeiten für eine dauerhafte Nutzung zu testen. Aktuell fand eine Foto-Ausstellung von alten Fotos aus dem Fabrikalltag statt. „Da wir nicht wussten, wer alle Menschen auf den Fotos waren, haben wir die Löbauer eingeladen, auf kleinen Zetteln die Namen zu kommentieren, wenn sie jemanden identifiziert haben“, erklärte Julia Bojaryn von der Stiftung Haus Schminke und URBACT-Local-Group-Koordinatorin, die den Wiederbelebungsprozess der Fabrik steuert. Dadurch werde der Bezug zur Nudel-Fabrik bei den Löbauer:innen wieder erweckt.

Gemeinsam lernen, gemeinsam wachsen: Inspirationen des URBACT‑Study‑Trips in Löbau

Der Study‑Trip des URBACT‑Netzwerks GreenPlace in Löbau verdeutlichte, wie europäische Städte ihre laufenden Projekte mit frischen Ideen anreichern können. Löbau präsentierte die Landesgartenschau, das Haus Schminke und den Revitalisierungsprozess der ehemaligen Nudelfabrik – Beispiele, die wertvolle Anregungen lieferten. Die spanische Stadt Onda in der Region Valencia, plant im Rahmen des URBACT-Netzwerks beispielsweise einen innerstädtischen Grünzug; die Eindrücke aus Löbau fließen nun als Inspiration in die Ausgestaltung ein. „Die Landesgartenschau ist eine großartige Referenz – sie bestärkt uns, einen lebendigen Park zu schaffen, der die Lebensqualität unserer Stadt steigert“, erläuterte Antonio Lecha aus der Stadt Onda. Aber auch die rumänische Delegation aus Bukarest, die im URBACT-Netzwerk die Umnutzung eines historischen Tramdepots zu einem kulturellen Zentrum vorbereitet, gewann in der ehemaligen Nudelfabrik neue Impulse für ihr Vorhaben. Vor Ort zu sein, mit Beteiligten zu sprechen und Fragen zu stellen, schafft ein tieferes Verständnis der lokalen Rahmenbedingungen – und sie kann zugleich auch helfen, politische Entscheidungsträger:innen vom Mehrwert solcher Entwicklungen zu überzeugen. Auch der Bürgermeister von Löbau, Albrecht Gubsch, hebt den Wert des Austauschs vor Ort hervor: „Es freut mich, dass Löbau als Inspirationsquelle für andere Städte dienen kann und wir alle von den Erfahrungen und Ideen profitieren, die im Rahmen des URBACT-Netzwerks geteilt werden“, betont er.

Ehemalige Anker Teigwarenfabrik mit Veranstaltungs-Ankündigungen © Deutsche Kontaktstelle URBACT

 

 

Submitted by on 24/04/2025
author image

Lilian Krischer

See all articles