Das URBACT-IV-Programm wurde im September 2022 verabschiedet. Die Grundansätze des Austausches und der Vernetzung europäischer Kommunen bleiben gleich. Auch ist das Programm weiterhin offen für alle Bereiche der Stadtentwicklung. Schwerpunkte stellen allerdings die Themen Klima, Gendergerechtigkeit und Digitales dar. Wir wollen genauer erklären, was sich hinter diesen Schlagworten verbirgt und wo Städte ansetzen können, wenn sie zu diesen Themen in einem URBACT-Netzwerk arbeiten möchten. Über das Thema der Digitalisierung sprachen wir mit Steffen Budweg, Innovationstreiber und lokaler Experte im URBACT-Netzwerk ActiveCitizens in Dinslaken. Im dreijährigen Netzwerk ActiveCitizens hatten sich bis August 2022 acht europäische Städte das Ziel gesetzt, sich zur Beteiligung von Bürger:innen auszutauschen und neue Formen der Partizipation auszuprobieren. Während der Pandemie zeigten dabei insbesondere digitale und hybride Beteiligungsformate ihre Relevanz.
Ziel des Netzwerks Active Citizens war es, mehr und verschiedene Bürger:innen zu beteiligen. Wie haben Sie das im Netzwerk mit Hilfe der Digitalisierung gelöst?
In der Tat erreichen klassische Beteiligungsmaßnahmen oftmals nur bestimmte Anteile der Zivilgesellschaft: Viele kennen das Beispiel des gebildeten, älteren Mannes, der zu Anhörungen im Rathaus kommt und sich einbringt. Im Netzwerk Active Citizens wollten wir von Anfang an auch bisher unbeteiligte Akteursgruppen stärker einbinden und haben hierfür auch digitale Formate eingesetzt, zum Beispiel in einem Stadtteil mit vielen Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dort haben wir eine Smartphone Anwendung genutzt, um den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, ihren Stadtteil aus ihrer Perspektive zu kartographieren. D.h. ähnlich wie Google Maps konnten die Jugendlichen für sie relevante Orte erfassen, beschreiben und bewerten.
Was sind Erfolgsfaktoren einer digitalen Bürgerbeteiligung und was aus dem Netzwerk ist übertragbar?
Digitale Bürgerbeteiligung soll die Zivilgesellschaft aktiv ansprechen und zur Mitgestaltung einladen. Sie soll an den lokalen Bedarfen vor Ort ansetzen und Bürger:innen nicht nur als Befragte, sondern auch als Mitentscheidende stärken. Hierfür ist es zentral, nicht einfach irgendwelche digitalen Werkzeuge und Plattformen anzuwenden, sondern die Menschen von Anfang an einzubinden. Ein gutes Beispiel dafür ist der Hackathon, den wir in Dinslaken im Rahmen des ActiveCitizens-Netzwerks umgesetzt haben. Dort haben verschiedene kreative, technikaffine Personen an Ideen für unterschiedliche Bereiche im Dinslakener Stadtleben gearbeitet. So entstand innerhalb von zweieinhalb Tagen ein Füllstandmesser für einen Altkleider-Container, ein Lautstärkemesser für die Außengastronomie und ein Prototyp für frei verfügbares WLAN in Parks. Das waren Ideen, die von den Menschen vor Ort selber kamen.
Das Thema Smart City und Open Data hat für Kommunen aktuell eine große Bedeutung. Was muss noch verbessert werden?
Digitalisierung ist eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre und zugleich der Schlüssel zu effektiven Lösungen in Zeiten knapper werdender Ressourcen. Das Thema Smart City wurde lange Zeit primär von der Technologie her gedacht, es ist aber entscheidend, es von den Menschen her zu denken.Hier ist es wichtig, von Anfang an die Bürger:innen bei den Prozessen in Richtung einer Smart City einzubinden: sowohl als Bedarfsträger und Zielgruppe von Lösungen, aber auch als Expert:innen für die Entwicklung und Umsetzung.
Sie kommen ursprünglich aus der Forschung. Welche Ansätze und Arbeitsstrategien von dort sollten auch auf die Arbeit in Stadtverwaltungen übertragen werden?
In vielen Stadtverwaltungen sitzen engagierte Mitarbeiter:innen, es fehlt ihnen aber vielmals die Zeit oder Unterstützung, um neue Ansätze auszuprobieren. In der Forschung gibt es oft viel Freiraum für einzelne Köpfe, um neuartige Ideen und Erkenntnisse hervorzubringen. Agile Arbeitsweisen und Innovationsmethoden können auch in der Verwaltung neue Energien freisetzen, die Mitarbeitende für die Bearbeitung der großen aktuellen Herausforderungen benötigen.
Wieso ist URBACT dafür gut geeignet, Digitalisierungsstrategien in Städten anzugehen?
URBACT ermöglicht Städten, gemeinsam mit ihren Bürger:innen und der Zivilgesellschaft nach Lösungen für die ganz konkreten Herausforderungen vor Ort zu suchen und dabei im gemeinsamen Austausch von anderen Städten in Europa zu lernen. Dabei gibt es vielfältige methodische Unterstützung, die dabei hilft, die oftmals begrenzten Ressourcen effizient zu nutzen, neue Lösungsansätze zu entwickeln und gerade im Bereich Digitalisierung auch Stärken vor Ort zu aktivieren.
Was kann Deutschland in diesem Bereich von anderen Ländern lernen?
Oftmals werden Länder wie Estland als Vorreiter für Digitalisierung genannt – das trifft auf viele Bereiche z. B. im eGovernment auch zu. Auch in Deutschland gibt es bereits zahlreiche positive Entwicklungen: Zunehmend profitieren Städte und Kommunen von offenen Daten, digitaler Bürgerbeteiligung und europäischer Förderung wie bei URBACT.