Am 25. September 2015 wurde die Welt Zeuge einer globalen Anstrengung zur Beendigung der Armut, zur Förderung des Friedens, zum Schutz der Rechte und der Würde aller Menschen und zum Schutz des Planeten. Auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde in diesem Jahr die Resolution "Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" verabschiedet. In diesem historischen Dokument werden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) mit 169 Zielvorgaben und über 230 Indikatoren festgelegt, die bis 2030 weltweit erreicht werden sollen. Acht Jahre später wird in einem Berichtsentwurf der unabhängigen UN-Wissenschaftergruppe untersucht, wo wir heute stehen. Obwohl das endgültige Dokument erst später in diesem Jahr auf dem SDG-Gipfel der Vereinten Nationen veröffentlicht wird, lassen sich bereits jetzt einige Kernbotschaften skizzieren, da die Agenda 2030 und die Umsetzung der SDGs die Halbzeit erreicht hat.
Alarm auf halber Strecke bis 2030
Bei der Verwirklichung der SDGs sind in der Halbzeit keine ausreichenden Fortschritte zu verzeichnen.
Neben dem SDG-Gipfel im September laufen auch die Vorbereitungen für das Hochrangige Politische Forum der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung (HLPF) im Juli 2023. Bei beiden Gelegenheiten werden Entscheidungsträger:innen und hochrangige Interessenvertreter:innen die Fortschritte bei der Umsetzung der Agenda 2030 bewerten, doch das Fazit ist eindeutig: Wir sind vom Weg abgekommen. Auf halber Strecke bis 2030 scheinen nur etwa 12 % der SDG-Ziele ausreichende Fortschritte gemacht zu haben, heißt es in der ungekürzten Vorabversion der Sonderausgabe des Berichts des Generalsekretärs vom vergangenen April. "Dies ist eine düstere Lektüre", erklärte @David_McNair, Executive Director Global Policy bei One.org. in einer Reihe von Twitter-Posts am 27. April. McNair erinnert uns daran, dass im Jahr 2030 immer noch 575 Millionen Menschen in extremer Armut leben werden und "der Hunger wieder das Niveau von 2005 erreicht hat".
Im Bericht wird auch festgestellt, dass viele der SDGs zwar Fortschritte aufweisen, aber mäßig bis stark vom Kurs abgewichen sind, und dass bei etwa 30 % der SDGs entweder keine Fortschritte oder Rückschritte gegenüber dem Ausgangswert von 2015 zu verzeichnen sind. Das Dokument ist zwar düster, ruft aber auch zu verstärkten Anstrengungen und politischen Lösungen auf, um die Kräfte für ein beschleunigtes, nachhaltiges und transformatives Handeln zu lenken. Es fordert die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, auf dem SDG-Gipfel zusammenzukommen, um einen Rettungsplan für die Menschen und den Planeten aufzustellen, der sich auf drei wichtige Durchbrüche konzentriert:
- Stärkung der Governance und der Institutionen für eine nachhaltige und integrative Transformation.
- Priorisierung von Maßnahmen und Investitionen, die Multiplikatoreffekte für alle Ziele haben.
- Sicherstellung eines Anstiegs der SDG-Finanzierung und eines günstigen globalen Umfelds für die Entwicklungsländer.
Begrenzte Belege für transformative Wirkung
Seit 2015 gibt es Belege dafür, dass Regierungen, Unternehmen, der private Sektor und die breite Öffentlichkeit die SDGs annehmen. Insgesamt gibt es jedoch nur begrenzte Belege für eine transformative Wirkung.
Neuere wissenschaftliche Forschungsartikel, Schriften oder Studien haben in der Tat ergeben, dass es insgesamt nur begrenzte Belege für eine transformative Wirkung der SDGs gibt. Andere Arbeiten wiederum sind äußert kritisch gegenüber den Vereinten Nationen. So stellen Wissenschafter von Universitäten und Forschungsinstituten aus 17 Ländern der Welt im Mai 2022 fest, dass "UN-Generalsekretär António Guterres Recht hatte, als er feststellte, dass sich die Menschheit in Bezug auf die meisten SDGs rückwärts bewegt", dass es immer deutlicher wird, dass die Annahmen, die den SDGs zugrunde liegen, ungültig sind, einschließlich der kontinuierlichen wirtschaftlichen Expansion und die UN öffentlich auffordern, die überflüssige und wenig hilfreiche Ideologie der nachhaltigen Entwicklung fallen zu lassen (Brief an die UN - Die Menschen werden mehr leiden, wenn die Fachleute sich in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung täuschen).
Ebenfalls im Juni 2022, im Vorfeld der Juli-Sitzung des HLPF 2022, veröffentlichte eine andere Forschergruppe einen Artikel in „Nature Sustainability“, in dem sie die Ergebnisse einer Meta-Analyse der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse über die politischen Auswirkungen der SDGs vorstellten. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Ziele einen gewissen politischen Einfluss auf Institutionen und Politiken haben, von der lokalen bis zur globalen Governance, und sie kommen zu dem Schluss, dass "die SDGs zwar einige begrenzte Auswirkungen haben, aber an und für sich noch keine transformative Kraft darstellen."
Städte sind die entscheidenden Schauplätze für eine nachhaltige Zukunft
Positiv ist, dass in dem Artikel von 2022 anerkannt wird, dass die SDGs der "umfassendste und detaillierteste Versuch der UNO sind, die nachhaltige Entwicklung voranzutreiben". Eine interessante Kritik an dem Schreiben hebt hervor, dass die Wissenschafter keine konkreten Maßnahmen oder glaubwürdigen Alternativen zu einem solchen Rahmenwerk vorschlagen. Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass "die SDGs einen unverzichtbaren Fahrplan darstellen: Ohne sie wüsste niemand, wohin er gehen soll. Wollen wir diesen einzigen globalen Fahrplan, auf den sich die Welt geeinigt hat, ernsthaft über Bord werfen? [...] Dabei handelt es sich um ein länderüberschreitendes Problem - Klimakatastrophen kennen keine Grenzen - und der einzige Weg, damit umzugehen, ist eine verstärkte internationale Zusammenarbeit, nicht weniger".
Es gibt noch einige andere Lichtblicke. Es gibt Hinweise darauf, dass subnationale Behörden, insbesondere Städte, bei der Bildung von Koalitionen zur Umsetzung der SDGs oft bahnbrechender und fortschrittlicher sind als ihre Zentralregierungen", heißt es in dem Papier. Wie António Guterres Anfang des Jahres sagte, "sind Städte entscheidende Schauplätze. Sie verursachen 70 % der weltweiten Emissionen. Sie beherbergen die Hälfte der Menschheit. Und bis 2050 werden mehr als zwei Milliarden Menschen in ihnen leben". Der Aktionsplan des UN-Generalsekretärs „Our Common Agenda“ und das Themenpapier zum Multilateralismus für die UN-Habitat-Versammlung rufen zu einem verstärkten und integrativeren Multilateralismus auf, der die zentrale Rolle der Städte und anderer lokaler Behörden bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen anerkennt.
Eine Gelegenheit, das Handeln zu beschleunigen
Das Jahr 2023 markiert die Halbzeit bei der Umsetzung der SDGs und bietet eine Gelegenheit, die Kräfte des Wandels zu lenken.
Der politische Prozess im Vorfeld des SDG-Gipfels kann dazu beitragen, Fortschritte für die Menschen und unseren Planeten zu erzielen und den Beitrag der Städte und Regionen zu den SDGs voranzutreiben. Während der gesamten Veranstaltung werden die Staats- und Regierungschefs und hochrangige Interessenvertreter eine umfassende Überprüfung des Stands der SDGs vornehmen, auf die Auswirkungen der vielfältigen und miteinander verknüpften Krisen, mit denen die Welt konfrontiert ist, reagieren und hochrangige politische Leitlinien für transformative und beschleunigte Maßnahmen bis zur Frist 2030 für die Verwirklichung der SDGs vorlegen. Das Ergebnis wird eine ausgehandelte politische Erklärung sein.
Das Gipfeltreffen wird von den Ständigen Vertretern Irlands und Katars bei den Vereinten Nationen mitveranstaltet, die nach einer ersten Konsultationsrunde mit den Mitgliedstaaten sowie mit wichtigen Gruppen und anderen Interessenträgern zu einem Entwurf für ein Eckpunktepapier einen "Zero Draft" für die politische Erklärung vorgelegt haben. Am 7. Juni 2023 fand ein virtueller informeller Stakeholder-Dialog statt, um konkrete Beiträge und Vorschläge zur Verbesserung des Null-Entwurfs der Politischen Erklärung des SDG-Gipfels einzuholen.
Was macht die EU?
Die EU hat sich verpflichtet, die Agenda 2030 und ihre Umsetzung zu verwirklichen, wie im Europäischen Grünen Deal und im Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen „Delivering on the UN's Sustainable Development Goals“ (Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele) sowie im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und in den politischen Leitlinien von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dargelegt. Ein regelmäßiges Monitoring der Fortschritte auf dem Weg zu den SDGs im EU-Kontext ist für diesen Zweck unerlässlich. Bei der informellen Konsultation am 3. Februar 2023 drängte die EU in ihrer Erklärung auf eine ehrgeizige und handlungsorientierte politische Erklärung auf dem SDG-Gipfel.
Darüber hinaus hat Eurostat (das statistische Amt der Europäischen Union) im Mai 2023 zusammen mit dem Frühjahrspaket des Europäischen Semesters einen Monitoring-Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung der SDGs im EU-Kontext „Sustainable development in the European Union – Monitoring report on progress towards the SDGs in an EU context – 2023 edition“ veröffentlicht, welcher einen statistischen Überblick über die Fortschritte in der EU bietet. Der Bericht zeigt, dass es im letzten Fünfjahreszeitraum, für den Daten vorliegen, Fortschritte bei vielen sozioökonomischen Zielen gegeben hat, während die Trends im Umweltbereich weniger günstig waren. Vor allem bei drei Zielen sind die Fortschritte rückläufig: Klimaschutz (SDG 13), Leben an Land (SDG 15) und Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (SDG 17).
Im "Sustainable Development Report 2023", der im Juni 2023 veröffentlicht wurde, heißt es, dass "alle SDGs ernsthaft vom Weg abgekommen sind". Auch wenn die 20 Länder, die auf der SDG-Index-Rangliste 2023 ganz oben stehen, alle Europäer sind, ist keines von ihnen auf dem besten Weg, die Ziele der Agenda bis 2030 zu erreichen, so dass Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (SDG 17) und andere Formen der Zusammenarbeit wichtiger denn je sind. Die letzte Ausgabe des Berichts, der Bericht über die nachhaltige Entwicklung in Europa 2022, gibt Aufschluss darüber, wo die Dinge schiefgelaufen sein könnten: "Die Fortschritte bei den SDGs in Europa sind seit 2020 ins Stocken geraten".
Auch wenn jedes Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission die SDGs seit 2020 in den Mittelpunkt der EU-Politik gestellt hat, haben die Covid-19-Pandemie und andere internationale Krisen dazu geführt, dass die Fortschritte in vielen europäischen Ländern zu Rückschlägen führte, insbesondere bei den Zielen "Keine Armut" (SDG 1), "Gesundheit und Wohlergehen" (SDG 3) sowie "Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum" (SDG 8). Die EU hat rund 66 % der im Bericht über die nachhaltige Entwicklung in Europa enthaltenen SDG-Ziele erreicht oder ist auf dem Weg dorthin. Allerdings sind die Fortschritte bei 20 % der Indikatoren begrenzt und bei 13 % gehen sie in die falsche Richtung. Um dieses Problem anzugehen, werden im Bericht über die nachhaltige Entwicklung in Europa fünf vorrangige Maßnahmen zur Beschleunigung der SDGs in der EU und auf internationaler Ebene vorgeschlagen. Diese richten sich gemeinsam an die Europäische Kommission und die Führung des Europäischen Rates, das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten:
- Sicherstellen, dass die freiwillige Überprüfung der EU im Jahr 2023 drei wichtige Elemente enthält: (1) interne Prioritäten, (2) internationale Spillover-Effekte und (3) internationale Partnerschaften und Diplomatie für die SDGs.
- Veröffentlichung einer gemeinsamen politischen Erklärung der drei Säulen der EU-Governance bis Juli 2023.
- Ausarbeitung einer von der Europäischen Kommission herauszugebenden Mitteilung, in der klargestellt wird, wie die EU die SDGs in Europa erreichen will.
- Umsetzung und Verstärkung der jüngsten globalen Verpflichtungen.
- Entwicklung eines neuen Mechanismus oder Erneuerung des Mandats der Multi-Stakeholder-Plattform
Die Ergebnisse und Empfehlungen des Berichts über die nachhaltige Entwicklung in Europa 2022 spiegeln die Forderungen anderer europäischer Organisationen und Interessenträger wider, zum Beispiel des Ausschusses der Regionen in seinen Stellungnahmen zum Thema Umsetzung und Fortschritte bei der Verwirklichung der SDG, des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss im EWSA Beitrag zur freiwilligen Überprüfung der Umsetzung der Agenda 2030 auf EU-Ebene oder der Eigeninitiative des Europäischen Parlaments zur Förderung der Bemühungen der EU zur Erreichung der 2030-Ziele. Dieser Bericht dient auch der Vorbereitung der Delegation des Europäischen Parlaments, die im Juli 2023 am Hochrangigen Politischen Forum der Vereinten Nationen teilnehmen wird.
Ein entscheidendes Jahr für die EU
Tatsächlich wird nicht nur das Parlament bei diesen Veranstaltungen vertreten sein, sondern die EU wird auch ihren ersten freiwilligen Überprüfungsbericht auf dem Hochrangigen Politischen Forum und dem SDG-Gipfel vorlegen, wobei neun Mitgliedstaaten als Pilotländer freiwillige nationale Überprüfungen durchführen.
Zur Halbzeit der Umsetzung der SDGs ruft der Bericht über die nachhaltige Entwicklung in Europa auch zu einer starken europäischen Führung auf, um die Ziele zu erreichen. Es besteht erheblicher Handlungsbedarf, um den Bemühungen neuen Schwung zu verleihen. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehören: die Erhöhung der Sichtbarkeit der SDGs in der EU-Politik, die Schaffung einer ständigen Plattform für die Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen in den SDG-Umsetzungsprozess und die Verbesserung der Eurostat-Daten zu relevanten Indikatoren. Darüber hinaus fördert die Agenda 2030 einen wichtigen Paradigmenwechsel hin zu einem stärker partizipativen Modell der Multi-Stakeholder-Governance für nachhaltige Entwicklung.
Im Mai 2017 wurde von der Kommission eine Multi-Stakeholder-Plattform eingerichtet, um die Europäische Kommission bei der Umsetzung der SDGs auf EU-Ebene zu unterstützen und zu beraten und ein Forum für den Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren bei der Umsetzung der SDGs in verschiedenen Sektoren und auf lokaler, regionaler, nationaler und EU-Ebene zu bieten. Leider lief ihr Mandat 2019 aus und wurde nie erneuert. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments drängen darauf, dass eine Plattform oder ein Forum zu den SDGs wieder ins Leben gerufen wird.
Eine solche Maßnahme würde ein strukturiertes Engagement mit der Zivilgesellschaft, Jugendorganisationen, Unternehmen, Gewerkschaften und Wissenschaftern bei der Entwicklung und Überwachung der SDG-Politik fördern. Die Ansichten lokaler Gemeinschaften sollten hervorgehoben werden, denn die erfolgreiche Umsetzung der SDGs hängt letztlich von den lokalen Akteuren ab. Im Rahmen dieses Prozesses sollten bewährte Verfahren anderer einschlägiger Multi-Stakeholder-Foren (wie der europäischen Stakeholder-Plattform für die Kreislaufwirtschaft) geprüft werden und den Weg weisen. Wir können in diesem Zusammenhang auch auf die Notwendigkeit einer strukturierten und sinnvollen Einbeziehung der Zivilgesellschaft hinweisen.
In diesem Jahr wird im Rahmen der ersten freiwilligen Überprüfung der Europäischen Union zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung eine Bestandsaufnahme der internen und externen Fortschritte der EU bei der Verwirklichung der SDGs vorgenommen, wobei detailliert dargelegt wird, wie die EU zur Erreichung der Ziele beiträgt, und auch anerkannt wird, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Umsetzung der SDGs zu beschleunigen. Dieser Prozess knüpft an die Mitteilung "Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft – Europäische Nachhaltigkeitspolitik" von 2016 und das Reflexionspapier "Towards a Sustainable Europe by 2030" von 2019 an.
Darüber hinaus misst Kommissionspräsidentin von der Leyen in den Politischen Leitlinien der Kommission für den Zeitraum 2019-2024 „Political guidelines of the Commission 2019-2024“ der Agenda 2030 und den darin enthaltenen SDGs eine zentrale Rolle bei, indem sie die nachhaltige Entwicklung zum Eckpfeiler der europäischen Politik macht, damit Europa die grüne und digitale Transformation anführen kann. Die Rolle der SDGs als Kernstück der EU-Politik, -Gesetzgebung und -Finanzierung wird auch im Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen 2020 „Delivering on the UN's SDGs - A comprehensive approach" mit dem Ansatz des "whole of government" hervorgehoben. Auch die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission zu den gesetzgeberischen Prioritäten der EU für 2023 und 2024 enthält eine Verpflichtung die Umsetzung dieses Rahmens zu beschleunigen.
Herausforderungen bei der Umsetzung überwinden
Ungeachtet ihrer kontinuierlichen Bemühungen ist es der EU nicht gelungen, die Bürgerinnen und Bürger bei der ersten europaweiten Überprüfung der SDGs angemessen zu konsultieren.
Die Mitglieder von SDG Watch Europe bedauern, dass der von der Europäischen Kommission veröffentlichte Bericht inhaltlich und prozessual nicht weit genug geht und zivilgesellschaftliche Organisationen und Bürger bei der Erstellung des Berichts außen vor gelassen wurden" und bedauern, dass "die freiwillige Überprüfung, die lediglich bewertet, was die EU bisher getan hat, und ihre Vorzeigepolitiken fördert, keine wirkliche Vision für strukturelle Veränderungen enthält und auch keinen Aktionsplan auf EU-Ebene vorsieht, um die von zivilgesellschaftlichen Organisationen festgestellten Lücken und Herausforderungen bei der Umsetzung der SDGs anzugehen".
Die Kommission erhielt auch Beiträge von der Plattform "Have your say" im Rahmen eines vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) durchgeführten Konsultationsprozesses, aber sie behauptet: "Trotz der lobenswerten Bemühungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, eine späte Konsultation der Interessenträger durchzuführen, ist es der EU nicht gelungen, die Bürgerinnen und Bürger bei der ersten europaweiten Überprüfung der SDGs angemessen zu konsultieren".
Der EWSA begrüßte zwar bereits die Aufforderung der Kommission, einen schriftlichen Beitrag zu leisten, wies jedoch darauf hin, dass eine strukturiertere Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den Prozess mit der Möglichkeit, den Berichtsentwurf zu kommentieren, wünschenswert gewesen wäre. Am 20. Juni 2022 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung zur Umsetzung der SDGs an. Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) schlug im Vorfeld der Verabschiedung Änderungen vor, um sicherzustellen, dass die lokale Dimension der SDGs sowie der Beitrag der Städte und Regionen in den Bericht aufgenommen werden. Der AdR hat Ricardo Rio, Bürgermeister von Braga, erneut zum Berichterstatter für eine Stellungnahme zum "Fortschritt bei der Umsetzung der SDGs" ernannt. Dies ist eine Gelegenheit, im Vorfeld des UN-Gipfels und der Überprüfung der SDGs einen interinstitutionellen Dialog mit den Entscheidungsträgern der EU zu führen.
In der im Februar 2023 verabschiedeten Stellungnahme unterstreicht Ricardo Rio die Bedeutung eines stärkeren Engagements aller Regierungsebenen für die Verwirklichung der SDGs, ein Prozess, bei dem die Europäische Union von den Erfahrungen der Städte und Regionen und dem Austausch bewährter Verfahren profitieren kann. Gerade in diesem entscheidenden Jahr, in dem die EU ihre erste freiwillige Überprüfung vorlegen wird, müsse Europa mit gutem Beispiel vorangehen, die Bemühungen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften durch weitere finanzielle Unterstützung unterstützen und interkontinentale Verbindungen schaffen.
Es besteht noch Hoffnung, die Dinge zu ändern
Es besteht ein großer Bedarf an Koordinierung auf EU-Ebene sowie an finanziellen und politischen Instrumenten zur Förderung von Innovationen und Investitionen, die die Umsetzung der SDGs unterstützen und die zentrale Rolle der Städte anerkennen. Dennoch gibt es Hoffnung. So ist die KnowSDGs-Plattform eine Plattform, die Instrumente bereitstellt und das Wissen über Politiken, Indikatoren, Methoden und Daten organisiert, um die faktengestützte Umsetzung der SDGs zu unterstützen. Die vom Joint Research Center (JRC) entwickelten Instrumente werden zunehmend von politischen Entscheidungsträgern, Interessenvertretern und Forschern genutzt, um besser zu verstehen, wie die Agenda 2030 funktioniert, und können dazu beitragen, koordinierte und kohärente Ansätze für eine erfolgreiche Umsetzung der globalen Ziele zu entwickeln.
Auch der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE; englisch: CEMR) und PLATFORMA arbeiten daran, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Gestaltung, Umsetzung und Überwachung der SDGs in ihren lokalen Strategien zu unterstützen. PLATFORMA veröffentlicht jährlich eine Studie über die Lokalisierung der SDGs und unterstützt die lokalen Behörden bei der Erstellung ihrer freiwilligen lokalen Überprüfungen (Voluntary Local Reviews - VLRs), die die freiwilligen nationalen Überprüfungen (Voluntary National Reviews - VNRs) speisen.
22 Monate lang hat der RGRE eng mit URBACT im Rahmen des Netzwerks Global Goals for Cities zusammengearbeitet. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Projekts bietet der Referenzrahmen für nachhaltige Städte (RFSC, Reference framework for sustainalbe cities) derzeit einer Auswahl von acht bis zehn Städten eine Schulung zur Lokalisierung der SDGs an. In drei Modulen zielt diese Trainingsakademie darauf ab, die SDGs auf die lokale Ebene zu übertragen und die teilnehmenden Städte zu ermutigen, sich über ihre Erfahrungen und Probleme auszutauschen und diese mit anderen Kollegen oder Interessengruppen zu replizieren.
Es gibt also durchaus noch Hoffnung. Es gibt gute Beispiele und Praktiken in ganz Europa, die nicht alle in einem einzigen Artikel aufgeführt werden können. Hier wird dennoch versucht, Beispiele zur Governance aus Gent (BE), Tallinn (EE) und Espoo (FI) hervorzuheben.
Fokus auf den Fall Gent (Belgien)
Seit mehreren Jahren unterstützt der Verband der flämischen Städte und Gemeinden (VVSG) die Städte bei der Integration der SDGs als Rahmen in verschiedenen Phasen des kommunalpolitischen Planungsprozesses, indem er ihnen Leitlinien und Instrumente an die Hand gibt und eine Vielzahl von Materialien entwickelt, die auf der VVSG-Website verfügbar sind. Sie verfügen über eine Vielzahl von Materialien, von denen viele auf der Grundlage des Ansatzes und der Erfahrungen aus ihrem SDG-Pilotprojekt (2017-2019) entwickelt wurden. Seit 2017 ist die Stadt Gent einer der Botschafter, die bei der Bekanntmachung und Umsetzung der SDGs in Belgien helfen. Im Jahr 2022 erstellte der VVSG einen inspirierenden Leitfaden "SDG-Monitoring und -Berichterstattung für eine Lokalpolitik mit Wirkung", der sich eingehender mit der Überwachung der lokalen Fortschritte bei den SDGs befasst. Die Stadt Gent sieht vor, die SDGs mit Maßnahmen im mehrjährigen strategischen Rahmen und im Haushalt der Stadt zu verknüpfen. Gent war die erste belgische Gemeinde, die einen SDG-Bericht erstellt hat.
Seit 2020 veröffentlicht Gent jährliche Berichte über den Stand der Verwirklichung der SDGs für 2030. Der freiwillige lokale Bericht 2020 überwachte die Situation in Bezug auf alle 17 SDGs und zielte darauf ab, diesen Zyklus 2024-2025 zu beenden. Zwischen dem Anfangs- und dem Abschlussbericht hebt die Stadt jedes Jahr eine der Säulen der nachhaltigen Entwicklung hervor, und zwar anhand von zehn inspirierenden Initiativen, die ihre Wurzeln in Gent haben. In den Jahren 2021 bis 2023 werden für jede Säule der nachhaltigen Entwicklung qualitative Berichte erstellt - Menschen im Jahr 2021, Wohlstand im Jahr 2022 und Planet im Jahr 2023.
Tallinn (Estland) die Grüne Hauptstadt der EU 2023
Eines der Hauptziele der Grünen Hauptstadt der EU 2023, Tallinn, ist die nachhaltige Verwaltung. Die Stadt argumentiert, dass die Integration der SDGs in lokale Strategien tiefgreifende Veränderungen auf lokaler Ebene erfordert, damit andere Stadtverwaltungen die multidimensionalen Herausforderungen in Bezug auf Menschen, Planet, Frieden, Wohlstand und Partnerschaften bewältigen können. Die 17 SDGs müssen in jeden Aspekt der Stadtverwaltung integriert werden, was einen Übergang von einer Checklisten-Mentalität hin zu den SDGs als ganzheitliche Disposition der Verwaltung erfordert. Tallinn ist der federführende Partner des URBACT-Netzwerks "Global Goals for Cities", dem 19 Städte aus verschiedenen europäischen Ländern angehören. Der Schwerpunkt liegt auf der Beschleunigung des Fortschritts bei der Lokalisierung der SDGs durch Peer-Learning und die Annahme der SDGs als gemeinsamen Rahmen für lokale Planung und Maßnahmen.
Die Gemeinsame Erklärung zur Unterstützung der SDG-Lokalisierung und das "GG4C Learning Kit" sind Teil des Endprodukts des Netzwerks. Modul 6 des Lernpakets konzentriert sich auf die Stärkung der Governance für die SDGs in Städten. Lokale Ergebnisse des GG4C-Netzwerks waren integrierte Aktionspläne (IAPs), die von jedem Stadtpartner erstellt wurden. Tallinns Ergebnis ist der Tallinner Aktionsplan für nachhaltige Entwicklung für die Jahre 2023-2026, der im "Tallinn Sustainable Development Guide" enthalten ist: Leitlinien für die Umsetzung und Überwachung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung in Tallinn", in dem Tallinn versucht, die Ziele und Vorgaben der Stadt mit den SDGs in Einklang zu bringen und die Stadtverwaltung so umzugestalten, dass eine bessere horizontale Zusammenarbeit und Ko-Kreation möglich ist.
Als Folgeinitiative hat Tallinn geplant, eine internationale Peer-Learning-Plattform für „Sustainability Governance“ einzurichten. Das übergeordnete Ziel ist es, bis Ende 2023 eine konkrete Kooperationsvereinbarung mit interessierten Partnern abzuschließen und einen gemeinsamen Arbeitsplan für 2024 zu erstellen, wenn der Status der Grünen Hauptstadt Europas an Valencia, Spanien, übergeben wird. Dies ist alles noch in Arbeit. Als einer der nächsten Schritte wird die Peer-Learning-Drehscheibe in Stuttgart während der Urban-Future-Konferenz #UF23 ins Leben gerufen, wo Tallinn eine Workshop-Sitzung zum Thema SDGs und Governance ausrichten wird, in der hervorgehoben wird, wie die SDGs dazu beitragen können, eine führende Rolle bei der Schließung der "Handlungslücke" in Bezug auf die SDGs zu übernehmen, indem der Schwerpunkt auf eine bessere Governance gelegt wird. Zur Erstellung dieser Berichte treten die städtischen Dienststellen in einen Dialog mit Plattformen und beratenden Gremien in der Stadt. Im Rahmen des internationalen Austauschs und Lernens übersetzt Gent seine Nachhaltigkeitsberichte und präsentiert sie als Voluntary Local Review (VLR).
Die Rolle des Austauschs zwischen den Städten
In seiner Rolle als Berichterstatter lieferte der Bürgermeister von Braga, einer Stadt, die zufällig auch Partner der GG4C ist, ein nützliches Beispiel für die Bemühungen zur Förderung der SDG und betonte, wie wichtig die Unterstützung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften durch EU-Mittel ist. So heißt es beispielsweise, dass der Ausschuss der Regionen (AdR) die Verbreitung bewährter Verfahren auf lokaler und regionaler Ebene nachdrücklich unterstützt und dies als grundlegend für die Förderung der SDG-Agenda erachtet. Weiter heißt es in dem Dokument, dass das kürzlich eingerichtete Pilotprojekt des URBACT-Netzwerks, bei dem Städte die SDGs lokalisieren, eine von mehreren Möglichkeiten ist, dies zu erreichen. Nichtsdestotrotz muss die EU ein neues Programm für den Austausch bewährter Verfahren zwischen Städten und Regionen in der gesamten EU, einschließlich Städten aus anderen Kontinenten, einrichten, um weltweit bewährte Verfahren zu identifizieren und bilaterale Vereinbarungen zu fördern.
Politische Führungskräfte des GG4C-Netzwerks haben in einer gemeinsamen Erklärung des URBACT Global Goals for Cities-Netzwerks zur Unterstützung der SDG-Lokalisierung die Bedeutung von Foren hervorgehoben, in denen Städte bewährte Verfahren zur SDG-Lokalisierung und zu anderen Herausforderungen für Städte austauschen können. Die Erklärung unterstreicht, dass die Städte weiterhin befähigt und unterstützt werden müssen, um die SDGs in lokale Realitäten zu übertragen. Vor der GG4C-Erklärung schloss sich das Netzwerk einem Aufruf an Eurocities zur Stärkung der Zusammenarbeit und Kooperation mit europäischen Städten im Zusammenhang mit den SDGs und freiwilligen lokalen Überprüfungen an. Die Bedeutung von Städtepartnerschaften für die SDG-Lokalisierung zeigt sich auch in anderen bestehenden Städtenetzwerken, wie der SDG-Arbeit von Nordregio und dem Netzwerk "Strategic Management of SDGs in Cities" (SDG46-Sechs-Städte-Netzwerk) der finnischen Städte Espoo, Helsinki, Oulu, Tampere, Turku und Vantaa, unter anderem.
Verbindungen zu den neu genehmigten Aktionsplanungsnetzwerken
Mit der Genehmigung von 30 neuen Aktionsplanungsnetzwerken wird sich das von der Stadt Espoo (FI) geleitete Netzwerk 'Cities for Sustainable Governance (CSG)' besonders auf die Schaffung lokal angepasster Governance-Prozesse und -Instrumente konzentrieren, indem es die Ziele für nachhaltige Entwicklung als strategisches Instrument nutzt. Es soll es ermöglichen, auf den Ergebnissen des URBACT III-Netzwerks "Globale Ziele für Städte" aufzubauen und diese Arbeit mit Espoo, einer Leuchtturmstadt des GG4C-Netzwerks, die bereits als Vorreiter unter den finnischen Städten gilt, unter anderem bei der Durchführung der freiwilligen lokalen Überprüfung von Espoo im Jahr 2020, auf die nächste Ebene zu heben. Das CSG-Netzwerk ist eine einzigartige Gelegenheit, mit einer neuen Gruppe motivierter Städte aller Größenordnungen zusammenzuarbeiten: Espoo (FI), Agios Dimitrios (EL), Braga (PT), Gabrovo (BG), Jablonec nad Nisou (CZ), Košice (SK), Mannheim (DE), Tallinn (EE) und Valencia (ES).
Ein Aufruf zu einer umfassenden europäischen Strategie
Während die Regierungen die Vorbereitungen für das Hochrangige Politische Forum und den SDG-Gipfel im September vorantreiben, muss Europa jetzt auf der Weltbühne eine echte Führungsrolle bei den SDGs übernehmen. Angesichts der Tatsache, dass viele Länder von hartnäckigen inflationären Wirtschaftskrisen und globalen Schocks heimgesucht werden, die wichtige Fortschritte bei den SDGs zunichtezumachen drohen, muss die EU den Geist der multilateralen Zusammenarbeit wiederbeleben und den politischen Willen fördern, der erforderlich ist, um die bis 2015 eingegangenen Nachhaltigkeitsverpflichtungen zu erfüllen. Vor allem aber muss die EU Maßnahmen ergreifen, um die aufgezeigten negativen Trens aus der freiwilligen Überprüfung der EU umzukehren.
"Da nur noch sieben Jahre bis zur Verwirklichung der SDGs verbleiben, wird die Rolle der neuen Europäischen Kommission im Jahr 2024 entscheidend sein, um die Umsetzung der Agenda 2030 durch die EU zu gewährleisten. Die EU-VR ist ein erster Schritt, aber was wir brauchen, ist eine übergreifende europäische Strategie für nachhaltige Entwicklung, die alle Politiken und Maßnahmen mit klaren Zeitvorgaben und Zielen für alle SDGs leitet. Eine solche Strategie muss auch die sinnvolle Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Bürger sicherstellen", erklärte Patrizia Heidegger, stellvertretende Generalsekretärin und Direktorin für EU-Governance, Nachhaltigkeit und globale Politiken beim Europäischen Umweltbüro (EEB). "Im Jahr 2024 brauchen wir einen europäischen Pakt für unsere gemeinsame Zukunft, einen europäischen Green Deal 2, wenn Sie so wollen, aber einen, der das gesamte Spektrum der nachhaltigen Entwicklung als Hauptinstrument zur Erreichung unserer Ziele für 2030 abdeckt".
Auf dem 11. World Urban Forum in Katowice (PL), vom 26. bis 30. Juni 2022, stellten Vertreter des URBACT Global Goals for Cities Netzwerks einige ihrer Ergebnisse vor. Zum Abschluss der Podiumsdiskussion wurden die Teilnehmer:innen gefragt, was sie in einem Wort mit nach Hause nehmen. Und das erste Wort, das fiel, war "Hoffnung". Also, lasst uns die Hoffnung nicht aufgeben!
Erfahren Sie im URBACT Knowledge Hub alles über die Instrumente und Prozesse, die das Netzwerk Global Goals for Cities zur Lokalisierung der SDGs in europäischen Städten eingesetzt hat!
Die Übersetzung basiert auf dem URBACT Artikel "A crucial time to localise the Sustainable Development Goals in the EU"
Hier erfahren Sie mehr zur Umsetzung der Agenda 2030 in Österreich