„URBACT schafft Nutzen für kommunale Themen!“

Edited on 03/05/2024

Im Gespräch: Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München

Clemens Baumgärtner, Stadt München
Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München ©  Landeshauptstadt München

Was bringt eine Teilnahme an URBACT-Projekten eigentlich für Städte? Wie sollte man als Kommune an die europäische Netzwerkarbeit herangehen, um davon zu profitieren? Und welche Vorteile hat die Rolle des Lead Partners, die ja auch viele Aufgaben und Verantwortlichkeiten mit sich bringt? Dazu haben wir Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München, befragt. Der Fachbereich Europa und Internationales in seinem Referat hat für die bayerische Landeshauptstadt bereits drei URBACT-Projekte erfolgreich auf den Weg gebracht. Sein Fazit: „Insgesamt hat URBACT wirklich etwas bei uns bewegt!“

Die Stadt München versteht es, die europäische Zusammenarbeit sinnvoll und gewinnbringend für lokale Vorhaben zu nutzen. In der Förderperiode 2014-2020 war das Kommunalreferat München Partner im Projekt „URGE – Circular Building Cities“, bei dem die Kreislaufwirtschaft im Baubereich im Mittelpunkt stand. München ging dieses Thema am Beispiel der ehemaligen Bayernkaserne im Münchner Norden an: Im Modellareal in Freimann entsteht unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ein neues Quartier, wobei der Verbrauch von Energie und Ressourcen so gering wie möglich gehalten und 50 Prozent des Abbruchmaterials vor Ort recycelt werden sollen. Seit 2023 ist München Lead Partner im neuen URBACT-Projekt „LET’S GO CIRCULAR!“, das den Fokus im Vergleich zu URGE aufweitet und sich mit allen Aspekten eines ganzheitlichen zirkulären Ökosystems beschäftigt.

Was hat das URBACT-Projekt URGE der Stadt München gebracht?

Baumgärtner: Zum einen waren die europäischen Partner ein Mehrgewinn: Wir haben vom Austausch und den Best Practices der anderen europäischen Städte im Netzwerk profitiert. Es gab viele innovative Ideen, die für uns interessant waren. Etwa, was Materialdatenbanken betrifft, digitale Tools, Aufbereitungsstandorte etc. Im italienischen Prato gibt es beispielsweise eine starke Textilindustrie, dort werden aus Textilresten Dämmstoffe für Gebäude hergestellt. Alle beteiligten Städte haben auch kleine Filme zu ihren lokalen Projekten gemacht, so konnten wir die Praktiken noch besser verbreiten.

Zum anderen war die URBACT-Teilnahme ein strategischer Vorteil: Der Integrated Action Plan (IAP) hat uns viel gebracht. Im Zuge der Neubebauung auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne gab es bereits ein innovatives Pilotvorhaben zum zirkulären Bauen. Durch URBACT hat sich der Horizont erweitert: Jetzt hat die Stadt ein wegweisendes Dokument, das festlegt, wie die Fachreferate die Kreislaufwirtschaft in den Liegenschaften der Stadt München auf den Weg bringen. Der Integrierte Aktionsplan wurde in einem Stadtratsbeschluss des Kommunalreferats verabschiedet und darin ein 12-Punkte-Plan, in dem ganz konkrete Maßnahmen genannt sind, wie das passieren soll. Damit können die Fachreferate weiterarbeiten. Und es ist ein besonderer Erfolg, dass die lokale Fachgruppe zum zirkulären Bauen auch nach dem URGE-Projekt weiter zusammenwirken will.

Inwiefern hat URBACT zur lokalen Vernetzung beigetragen?

Durch URBACT haben wir wichtige lokale Akteure ins Boot geholt: Das Kommunalreferat hat die gerade genannte URBACT Local Group (ULG) aufgestellt und mit den URBACT-Mitteln einen neutralen Moderator engagiert. Unter dem Dach von URGE haben wir verschiedenste Fachexpert:innen in der ULG zusammengebracht. Sie haben sich während der Projektlaufzeit alle zwei Monate getroffen. Es haben sich auch Untergruppen zu Spezialthemen gebildet, etwa zum Thema Boden, zum Jugendzentrum auf dem Gelände der Bayernkaserne oder zum Vergaberecht. In der ULG dabei waren neben dem Kommunalreferat selbst verschiedene städtische Referate, wie die Referate für Umwelt, Bau und Planung, das Bayerische Umweltministerium, die Hochschule München, die Universität Weihenstephan, lokale Baufirmen, der Deutsche Abbruchverband, ein Bodeninstitut und weitere Mitglieder. Das Aufsetzen der ULG, das bei URBACT ja verpflichtend ist, schafft einen strukturierten Prozess, den man so sonst nicht hätte. Außerdem können die ULG-Teilnehmer:innen auch bei den europäischen Meetings dabei sein und selbst sehen, wie wertvoll dieser Austausch ist. Erst durch die ULG und URGE gab es einen Integrierten Aktionsplan zum zirkulären Bauen.

Welche langfristigen Wirkungen gibt es?

Der Maßnahmenplan gilt jetzt erst einmal für städtische Bauvorhaben. Der nächste Schritt wäre dann, das Konzept des zirkulären Bauens sukzessive auszuweiten, auf private Bauherren zuzugehen, auf die IHK, die Architektenkammer, etc.  

Der Aktionsplan aus dem URGE-Projekt wirkt in der gesamten zirkulären Strategieentwicklung der Stadt München weiter. Das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) erarbeitet in Kooperation mit Fachreferaten der Stadtverwaltung, aber auch mit der Münchner Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen eine umfassende Strategie für die Münchner Circular Economy. Im RKU ist auch die Circular Economy Koordinierungsstelle – kurz CEKS – angesiedelt, mit der wir jetzt unser neues URBACT-Projekt „LET’S GO CIRCULAR!“ auf den Weg gebracht haben. Es sind auch zwei Städte aus URGE wieder mit dabei, nämlich Riga und Granada. Auch auf europäischer Ebene läuft es also weiter.  

Lohnt es sich denn, als Lead Partner an einem solchen Projekt teilzunehmen? Das ist mit sehr viel Aufwand verbunden.

Bei URGE war München als Partnerstadt involviert, aber jetzt im neuen Call (schloss März 2023) haben wir uns als Lead Partner für das neue Projekt „LET’S GO CIRCULAR!“ beworben. Ein entscheidender Vorteil ist: Als Lead Partner konnten wir den Projektantrag so gestalten, dass er für die Stadt München einen maximalen Mehrwert bringt. Und wir konnten selbst Städte als Partner wählen, von denen wir viel lernen und profitieren können.  

Ein zweiter Vorteil ist, dass wir die Lead-Partnerschaft als Interessensvertretungstool für unsere kommunalen Themen nutzen können. Denn als Lead Partner wird man zu vielen Meetings mit dem URBACT-Sekretariat, der EU-Kommission und anderen Lead Partnern eingeladen. Man hat dadurch einerseits einen thematischen Austausch mit anderen URBACT-Netzwerken, andererseits kann man seine eigenen Themen durch die persönlichen Kontakte, die man aufbaut, sehr gut bei der EU-Kommission und in anderen Gremien platzieren. Das bringt einem mehr als jede Konsultation!

Was verspricht sich die Stadt von der Teilnahme am neuen URBACT-Projekt „LET’S GO CIRCULAR!“ Das Thema ist ja recht ähnlich zu URGE.

Der Fokus liegt auf einer ganzheitlichen Strategie. Wir wollen dazu beitragen, eine zirkuläre Stadt zu werden. Die Vision ist eine ganzheitliche, sektorenübergreifende und datengetriebene Strategie. Für München ist die Circular Economy ein existenzieller Baustein auf dem Weg zum großen Ziel, der klimaneutralen Stadt bis 2035.

 

Weitere Informationen

Die Landeshauptstadt München hat mit dem Fachbereich Europa und Internationales im Referat Arbeit und Wirtschaft bereits drei URBACT-Projekte auf den Weg gebracht: Von Juni 2019 bis August 2022 (Förderperiode 2014-2020) war München Partner im URBACT Aktionsplanungsnetzwerk „URGE – Circular Building Cities“ (Fachreferat: Kommunalreferat). Seit Juni 2023 (Förderperiode 2021-2027) ist München federführender Partner („Lead Partner“) im URBACT-Aktionsplanungsnetzwerk „LET’S GO CIRCULAR! – Paving the way for a circular transition of cities“ (Fachreferat: Referat für Klima- und Umweltschutz), sowie Partner im Aktionsplanungsnetzwerk „One Health 4 Cities“ (Gesundheitsreferat). Beide Projekte laufen noch bis Ende 2025.

Bei URBACT-Aktionsplanungsnetzwerken („Action Planning Networks“) arbeiten bis zu zehn Städte 2,5 bis drei Jahre zusammen, die sich alle mit einem ähnlichen Thema beschäftigen. Ziel auf europäischer Ebene ist der Austausch und das Lernen von neuen Methoden und Herangehensweisen in der Stadtentwicklung. Auf lokaler Ebene erarbeiten alle Städte einen Integrierten Aktionsplan zum Projektthema (ähnlich einem Integrierten Stadtentwicklungskonzept). Dabei sind die Kommunen angehalten, auch relevante Akteure vor Ort einzubinden. Dafür etablieren sie jeweils eine Arbeitsgruppe, die sogenannte „URBACT Local Group“, die sich während der Projektlaufzeit regelmäßig trifft und aktiv am Integrated Action Plan mitwirkt.

 

Submitted by Heike Mages on 14/03/2024
author image

Heike Mages

See all articles