Am 13. November 2025 kamen 134 Vertreter:innen der städtischen Verwaltung, Expert:innen und Interessierte an grüner Wirtschaft zusammen, um der Frage nachzugehen: Was macht eine florierende grüne Wirtschaft in Städten aus? Hängt sie von der Größe einer Stadt ab, von ihrer lokalen Wirtschaftspolitik oder von den verfügbaren Instrumenten?
Dieser Artikel führt die Diskussion darüber fort, warum grüne Wirtschaft wichtig ist und was wir aus unterschiedlichen Ansätzen in Städten lernen können. Die Beispiele aus fünf URBACT-Netzwerken zeigen, wie eine grüne Stadtwirtschaft aus ganz unterschiedlichen Ausgangslagen heraus entwickelt werden kann.
Was macht eine städtische Wirtschaft „grün“ – und warum ist das wichtig?
„Grüne Städte“ und „grüne Wirtschaft“ sind inzwischen feste Begriffe im Vokabular nachhaltiger Stadtentwicklung. Allgemein gesagt verbessert eine grüne Wirtschaft das menschliche Wohlbefinden und die soziale Gerechtigkeit und reduziert gleichzeitig Umweltbelastungen sowie den Verbrauch knapper natürlicher Ressourcen erheblich.
Grüne Städte bauen nicht nur auf diesen Prinzipien auf, sondern treiben auch die Innovation voran. Innovation fördert grünes und nachhaltiges Wachstum, schafft relevante grüne Kompetenzen und Arbeitsplätze. Dies wirkt sich wiederum positiv auf soziale Gerechtigkeit und die Lebensqualität aus. Grüne Städte, Innovation und nachhaltiges Wachstum sind dabei drei Zahnräder eines Motors, der eine Stadt mit der grünen städtischen Wirtschaft antreibt.

Abbildung 1: Drei Gänge, ein Motor, der zu einer grünen städtischen Wirtschaft führt.
In den letzten zehn Jahren haben der Europäische Green Deal und das Achte Umweltaktionsprogramm dazu beigetragen, den Anteil der Beschäftigten im EU-Sektor für Umweltgüter und -dienstleistungen von 2,02 % auf 3,1 % der Gesamtbeschäftigung zu steigern (2010–2022). Dies ist vor allem auf neue Arbeitsplätze in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Abfallwirtschaft zurückzuführen.
Parallel dazu verfolgt die EU das Ziel, den grünen Wandel ihrer Wirtschaft zu beschleunigen und bis 2050 klimaneutral zu werden. In den kommenden Jahren wird daher mit einem weiteren Anstieg der Arbeitsplätze im Bereich grüner Wirtschaft gerechnet.

Abbildung 2: Beschäftigung im EU-Sektor für Umweltgüter und -dienstleistungen nach Bereichen, 2010–2022 (European Environment Agency).
All dies zeigt: Städte müssen vorbereitet sein und voneinander lernen – heute mehr denn je.
Warum ist die Ökologisierung der Wirtschaft heute besonders wichtig?
1. In den Städten konzentriert sich der Druck und das Potenzial.
Städte nehmen weniger als 2 % der Erdoberfläche ein, verbrauchen jedoch über 70 % der Ressourcen und verursachen mehr als 60 % der Emissionen. Urbane Wirtschaftsräume sind Wachstumsmotoren – aber auch Brennpunkte von Umweltbelastungen in Bereichen wie Energieverbrauch, Mobilität, Bauwesen, Abfall.
(Quelle: Generating power | United Nations)
2. Resilienz ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit.
Klimaschocks, unterbrochene Lieferketten und volatile Energiepreise haben die Verwundbarkeit linearer, ressourcenintensiver Wirtschaftsmodelle offengelegt.
3. Die grüne Transformation schafft neuen lokalen Mehrwert.
Reparatur, Wiederverwendung, lokale Produktion, erneuerbare Energien und nachhaltiges Bauen schaffen Arbeitsplätze, Innovation und Kompetenzen vor Ort.
4. Die Bevölkerung erwartet es.
Stadtbewohner:innen fordern zunehmend gesündere, sauberere und lebenswertere Städte – und sind zugleich Konsument:innen und potenzielle Innovator:innen.
5. Das Timing ist wichtig.
Die europäischen Städte sind dabei, lokale Green Deals, Aktionspläne für die Kreislaufwirtschaft und Just Transition-Rahmenpläne umzusetzen. Die finanziellen und regulatorischen Fenster sind offen, von der EU-Finanzierung bis zu privaten Investitionen in nachhaltige Infrastruktur.
Wege zur grünen Wirtschaft: fünf Einstiegspunkte
Viele europäische Städte haben bereits mit dem grünen Wandel ihrer Wirtschaft begonnen. Anhand von Erfahrungsberichten aus fünf URBACT-Netzwerken beleuchten die folgenden Städtebeispiele die Ökologisierung der Wirtschaft aus verschiedenen Blickwinkeln: Bürgerbeteiligung, Umnutzung brachliegender Flächen, Kreislaufwirtschaft, Nutzung kohlenstoffarmer Energie und nachhaltiger Mobilitätslösungen sowie Umgestaltung von Industriegebieten.
#1 – Bürgergetragener Klimaschutz
Das URBACT Action Planning Network COPE stärkt kommunale Maßnahmen, indem es Gemeinschaften als Mitgestalter:innen anerkennt. In Bistrița (RO) wurde durch aktive Bürgerbeteiligung die Fahrradinfrastruktur und umweltfreundliche Mobilität verbessert. Dies bedeutete eine deutliche Abkehr von früheren Ansätzen, die auf fossiler Mobilität basierten und ein geringes Bewusstsein der Bürger:innen für das grüne Potenzial hatten.

"Die lokale Arbeit mit den Menschen kann viele Richtungen einschlagen. Es hängt stark von den Beteiligten und den Prozessverantwortlichen ab. Zum Glück spielt der menschliche Faktor in unserer Arbeit nach wie vor eine zentrale Rolle“, so Øystein Leonardsen, Projektkoordinator von COPE (Kopenhagen).
#2 – Wiederbelebung vergessener Stadträume
Das URBACT-Netzwerk GreenPlace widmet sich der Transformation ungenutzter urbaner Flächen. In Wrocław (PL) wurde ein stillgelegtes Straßenbahndepot neu gedacht: In einem zweitägigen Hackathon mit Anwohner:innen erkundete die Stadt naturbasierte Lösungen und neue Nutzungsmöglichkeiten für das Gelände. Das Ergebnis: die Schaffung einer „Green Boiler House“-Zone, die als Freizeit- und Begegungsraum dienen, die Gemeinschaft stärken und blau-grüne Infrastruktur- und Wassermanagementlösungen testen soll.
#3 – Kreislaufwirtschaft voranbringen
Das URBACT Action Planning Network LET'S GO CIRCULAR! ermöglicht, unterstützt und fördert die Kreislaufwirtschaft in Städten. Dies kann viele Formen annehmen und verschiedene praktische Lösungen beinhalten. In München (DE) beispielsweise helfen neue Beschaffungsrichtlinien dabei, die Kreislaufwirtschaft in öffentliche Restaurants und Kantinen zu integrieren. Lissabon (PT) baut eine digitale Plattform auf, um Einwohner und Touristen mit geprüften Kreislaufbetrieben in Verbindung zu bringen. Granada (ES) kombiniert die von Studenten durchgeführte Fahrradsanierung mit der Entwicklung einer App, um die schlechte Luftqualität zu bekämpfen und gleichzeitig die Fähigkeiten junger Menschen und die lokale Zusammenarbeit zu fördern. Diese Maßnahmen zeigen, wie Kreislaufwirtschaft lokale Arbeitsplätze, Nachhaltigkeit und intelligentere städtische Systeme fördern kann.

Stadtplan für Kreislaufwirtschaft in Lissabon, Fahrrad Anlaufstelle in Granada. Quelle: LET'S GO CIRCULAR.
#4 – Grüne Transformation kleiner Städte entlang von Verkehrskorridoren
Das URBACT-Aktionsplanungsnetz EcoCore unterstützt kleine Städte entlang von Verkehrskorridoren dabei, den grünen Wandel durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen und den Aufbau von Kapazitäten anzuführen. In Balbriggan (IE) starteten die lokalen Behörden Schulungen zur Nachhaltigkeit, Programme für grüne Kompetenzen und eine neue Strategie, die gemeinsam mit lokalen Unternehmen entwickelt wurde, so dass die Stadtverwaltung zunächst mit Unternehmen zusammenarbeitete und sich gegenüber der Öffentlichkeit stärker öffnete. Pärnu (EE) veranstaltete ein Wirtschaftsforum zum Aufbau von Partnerschaften für Klimaprojekte, das nun zu einer jährlichen Veranstaltung werden soll. Diese Städte zeigen, dass auch kleinere städtische Gebiete mit begrenzten Ressourcen den industriellen Wandel vorantreiben können.
"Zu oft sind die Kommunen so sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt, dass wir vergessen, den Menschen mitzuteilen, was wir tun. Es hat sich als sehr wirkungsvoll erwiesen, die Geschichten des EcoCore-Projekts und den Weg unserer lokalen Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit zu erzählen", sagte Aoife Sheridan, EcoCore-Projektkoordinatorin in Balbriggan.
#5 - Governance für grüne Transformation in der Industrie
Das URBACT-Aktionsplanungsnetz In4Green vereint 10 Industriestädte, die früher stark verschmutzt waren. In Avilés (ES) umfasst der Wandel von einer Schwerindustriestadt zu einem grünen Innovationszentrum einen Wissenschafts- und Technologiepark, 10 neue Forschungs- und Entwicklungszentren sowie langfristige öffentlich-private Partnerschaften. Mit Themen wie Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität betrachtet In4Green Industriegebiete als Testgelände für systemische Veränderungen.
Manuel Campa, Stadtrat für Wirtschafts- und Stadtentwicklung von Avilés, meint dazu: "Industriegebiete sind für In4Green kein Problem. Sie sind eine Chance. Sie bündeln Arbeitsplätze, Infrastruktur und Innovationspotenzial, sind aber auch für einen Großteil der Emissionen und des Ressourcenverbrauchs in unseren Städten verantwortlich".

Der Wissenschafts- und Technologiepark in Avilés, Teil der Strategie der Stadt, sich in ein Innovationszentrum zu verwandeln. Quelle: In4Green.
Die Diskussion fortsetzen
Die Erfahrungen aus URBACT-Städten zeigen: Eine florierende grüne städtische Wirtschaft ist sowohl möglich als auch praktisch. Dabei ist es jedoch wichtig, eine langfristige Vision zu haben, die von zuverlässigen Monitoring-Instrumenten und Indikatoren gestützt wird, und einen integrierten, innovationsgetriebenen Ansatz zu verfolgen.
Die Aufzeichnung des Webinars und weitere Materialien finden Sie hier.
Setzen Sie die Diskussion fort beim URBACT City Festival 2026 in Nikosia (31. März – 1. April 2026).
Bald verfügbar auf der URBACT-Website: Der Greening Urban Economies Knowledge Hub. Dies wird Ihre erste Anlaufstelle für Expertenwissen und relevante Artikel über Greening-Ansätze und -Praktiken für eine nachhaltige Stadtentwicklung sein.
Der Artikel basiert auf der Übersetzung des Artikels “The grass is always greener: five entry points to a thriving green urban economy” von Eleni FELEKI