URBACT Good Practice: Was verbirgt sich hinter diesem Namen?

Edited on 13/05/2024

Werden Sie eine URBACT Good-Practice-Stadt. Der Call ist von 15. April bis 30. Juni geöffnet. 

Für die Auszeichnung als URBACT Good-Practice-Stadt müssen Städte und Gemeinden vier Kriterien erfüllen. Hier erfahren Sie mehr dazu. 

Am 15. April veröffentlichte URBACT einen Call for Good Practices, der noch bis zum 30. Juni 2024 geöffnet ist. Mit diesem Aufruf sollen gute wirkungsvolle Maßnahmen zur nachhaltigen Stadtentwicklung ausgezeichnet werden. Diese guten Beispiele sollen als Quelle der Inspiration für andere europäische Städte dienen und sollen auf andere Städte übertragbar sein.

Wenn Sie im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung tätig sind, fragen Sie sich vielleicht: Was genau macht eine Stadtentwicklungs-Maßnahme „gut“? Dieser Artikel greift eine Handvoll der 97 ausgezeichneten URBACT Good Practices auf, welche im Jahr 2017 an Städte aus 25 EU-Ländern vergeben wurden. Diese Good Practices decken Themen aus verschiedenen Bereichen ab: von Umwelt über Soziales, Governance oder auch Wirtschaft. Aber, warum haben diese Städte die URBACT Auszeichnung erhalten? 

Vier grundlegende Dimensionen sind für eine Auszeichnung als URBACT Good-Practice-Stadt notwendig. Diese stehen für die Grundsätze und Werte, die URBACT seit 2002 zugrunde liegen:

- Relevanz auf europäischer Ebene
- Ein partizipativer und integrierter Ansatz
- Positive Auswirkungen auf lokaler Ebene 
- Übertragbarkeit

Relevanz auf europäischer Ebene


Als Programm der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit muss URBACT auf die Bedürfnisse und Prioritäten europäischer Städte in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der EU-Kohäsionspolitik reagieren. Eine bewährte URBACT-Praxis leistet daher einen Beitrag dazu oder zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) oder den Themen der Partnerschaften der Urbanen Agenda der EU. Dies zeigt sich auch in den Themen der 97 URBACT Good Practices, die im Jahr 2017 ausgezeichnet wurden. 

Übersicht zu Themen der ausgezeichneten Good Practices aus dem Jahr 2017

 

Die hier vorgestellten Beispiele greifen diese verschiedenen Themen auf. Sie veranschaulichen auch andere Aspekte, die für die Auszeichnung relevant sind. 

 
Ein partizipativer und integrierter Ansatz 

 
Städte stehen vor vielfältigen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, die immer stärker miteinander verknüpft sind. Selbst wenn eine Herausforderung unter ein bestimmtes Thema fällt (zum Beispiel Mobilität), berücksichtigt ein integrierter Ansatz auch andere wichtige Dimensionen wie Gleichstellung, Digitalisierung, grüner Wandel, die mit der Mobilität und den verschiedenen Bevölkerungsgruppen vor Ort zusammenhängen. Das partizipatorische Element einer guten Praxis bezieht sich auf die Einbeziehung verschiedener lokaler Akteur:innen, nicht nur aus verschiedenen Abteilungen der Stadtverwaltung, sondern auch aus der Zivilgesellschaft.  

Riga (LV) hat einen Weg gefunden, soziale städtische Räume (d. h. Gemeinschaftszentren) zu nutzen, um die soziale Integration und das Bewusstsein für lokale Angelegenheiten zu fördern. Das 2013 gegründete Riga NGO-House wurde auf Wunsch der Einwohner:innen Rigas selbst eingerichtet. Als eine von der Gemeinschaft inspirierte Initiative dient das NGO-Haus dem Bildungs-, Technik- und Informationsbedarf der unmittelbaren Gemeinschaft. Es hat inzwischen Tausende von Besuchen und Veranstaltungen beherbergt, die von verschiedenen NGOs organisiert und manchmal mit anderen Gemeinden koordiniert wurden (z. B. Partnerschafts- und Netzwerkveranstaltungen).  

Diese Praxis wurde von URBACT offiziell für die Stärkung des Nichtregierungssektors anerkannt. Die gewonnenen Erkenntnisse und die Austauschbesuche sind im Endbericht des Active NGOs Transfer-Netzwerk - „The Power of Civic Ecosystems“ - dokumentiert.

 

Die in einer ausgewiesenen „Pufferzone“ gelegene Kleinstadt Athienou (CY) steht vor einer Reihe einzigartiger historischer, geografischer, generationenübergreifender und städtisch-ländlicher Herausforderungen. Der Freiwilligenrat der Stadt (Municipal Council of Volunteers, MCV) wurde von URBACT für seinen generationenübergreifenden Ansatz der Freiwilligenarbeit ausgezeichnet. Die Freiwilligen setzen sich für die Bewältigung lokaler sozialer Herausforderungen ein und bieten den Einwohner:innen, insbesondere aus sozial schwachen Schichten, Unterstützungsdienste an. Die Freiwilligentätigkeit findet im Kleanthios-Seniorenheim, im Konstanileneion-Zentrum für Erwachsene, im städtischen Kindergarten und im Sozialhilfeausschuss statt. Die Mitgliederzahl des MCV steigt, vor allem unter den jüngeren Freiwilligen, und das allgemeine Bewusstsein und Engagement für den Wiederaufbau sozialer Bindungen nimmt zu.

Die bahnbrechende Lösung der aktiven Bürgerbeteiligung in Athienou wurde von anderen europäischen Städten im Rahmen des Volunteering Cities Transfer-Netzwerk übernommen.  

 

2014 startete Turin (IT) einen Wettbewerb für alle städtischen Bediensteten (rund 10.000), um innovative Projekte und Ideen für die Stadt voranzutreiben. So sollten Dienstleistungen und umweltfreundliche Projekte mit dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien verbessert bzw. neu entwickelt werden. Dieser Ansatz diente als Modell für eine neue Innovationskultur innerhalb der Stadtverwaltung (z. B. Leistungsverbesserung, Abfallreduktion, Maximierung von Ressourcen). Im Jahr 2017 wurden insgesamt 71 Projekte eingereicht, an denen 111 Mitarbeiter:innen beteiligt waren.  Schlussendlich wurden 10 Vorschläge prämiert. 

Diese Maßnahme wurde als URBACT Good Practice ausgezeichnet, weil damit das Management von Daten und digitalen Werkzeugen zur Lösung von städtischen Herausforderungen verbessert wurde. Die Anwendung ist in den Partnerstädten des Innovato-R-Transfer-Netzwerks zu sehen.

 

Positive Auswirkungen auf lokaler Ebene

 

Alle URBACT Good Practices müssen eine konkrete Lösung für eine Vielzahl thematischer städtischer Herausforderungen bieten. Diese müssen zwangsläufig auf die lokalen Bedürfnisse eingehen. Damit ein Verfahren ein URBACT Good Practice ist, bedeutet „positive Auswirkungen“ wirklich die positive Veränderung in einer Gemeinschaft. Mit anderen Worten, es sollte ein klarer „Vorher“- und „Nachher“-Effekt vorhanden sein, und eine spezifische Erklärung, wie und warum der Lösungsansatz wirksam war. 

Mouans-Sartoux (FR) bietet seit 2012 in seinen Schulen täglich 100 % biologische Mahlzeiten an. Das gemeinsame Programm für Schulkantinen in der Stadt ist offiziell als URBACT Good Practice anerkannt, nicht nur wegen seines ganzheitlichen Ansatzes, der Landwirte aus der Umgebung, Schulen, NGOs und lokale Organisationen zusammenbringt. Die Entscheidung in den Schulkantinen Bio-Mahlzeiten zu beschaffen hat zu einer Verhaltensänderung in der lokalen Bevölkerung geführt. Immer mehr Einwohner:innen werden sensibilisiert und entscheiden sich für eine gesündere und nachhaltigere Ernährungsweise. In den letzten fünf Jahren hat Mouans-Sartoux seinen CO2-Ausstoß um mehr als 20 % reduziert!

Der Ansatz von Mouans-Sartoux bietet wichtige Erkenntnisse darüber, wie andere Städte einen nachhaltigen Wandel der Ernährungssysteme zum Wohle der lokalen Bevölkerung herbeiführen können. Der Ansatz wurde inzwischen von anderen europäischen Städten durch zwei URBACT Transfer-Netzwerke, BioCanteens und BioCanteens #2 Transfer-Netzwerk, übernommen.

 

Chemnitz (DE) hat eine Lösung für das Immobilienmanagement entwickelt, um das Problem der verfallenen historischen Gebäude im Stadtzentrum zu lösen. Die Immobilienbehörde der Stadt, die Agentur StadtWohnen Chemnitz, führte eine Umfrage zu leerstehenden/verfallenen Gebäuden und Wohnungen durch, ermittelte potenzielle Käufer:innen und Investor:innenen und aktivierte die Unterstützung öffentlicher und privater Akteure. Die Ergebnisse waren überzeugend, weshalb URBACT das Verfahren für seine positiven lokalen Auswirkungen auszeichnete: In Chemnitz ist ein zunehmendes Interesse lokaler Investor:innenen an der Sanierung historischer Wohngebäude und der Umnutzung leerstehender Gebäude (Wohngemeinschaften, Notunterkünfte, soziale Einrichtungen) festzustellen.  

Die Chemnitzer Praxis ist auch ein vielversprechendes Beispiel dafür, wie Städte negative Trends und urbane Prozesse, die nicht nachhaltig sind, bekämpfen können (zum Beispiel Zersiedelung der Vororte, Autoverkehr, teurer Wohnraum usw.).  

Erfahren Sie mehr über diesen Ansatz und wie sie durch das ALT/BAU Transfer-Netzwerk übertragen wurde. 

 

Santiago De Compostela (ES) entwickelte eine spielbasierte Webplattform, um Recycling und andere umweltbewusste Verhaltensweisen zu fördern. Im Stadtzentrum wurden "grüne Punkte" (Tropa Verde - Abfallentsorgungsstellen) eingerichtet. Als Gegenleistung für die Entsorgung von Abfällen an diesen Punkten haben die Bürger:innen die Möglichkeit, Recycling-Gutscheine zu gewinnen, die in örtlichen Geschäften eingelöst oder bei der Stadtverwaltung umgetauscht werden können. In den ersten zwei Jahren wurden Zehntausende von Recyclingaktionen in den Bürgerzentren und an den grünen Punkten registriert, und mehr als 115 lokale Sponsoren haben 800 Recyclinggutscheine über die Tropa Verde Platform verteilt.

Die von Santiago De Compostela entwickelte spielerische Umsetzung der städtischen Abfallverringerung zeigt, wie lokale Gemeinschaften in den grünen Wandel einbezogen werden können. Der bewährte Ansatz wurde von Partnerstädten im Transfer-Netzwerk Tropa Verde an die eigenen Gegebenheiten angepasst.

 

Übertragbarkeit

 

Von 2018 bis 2022 wurden 23 der oben erwähnten 97 URBACT Good Practices dank der URBACT Transfer-Netzwerke in 188 andere europäische Städte übertragen und angepasst. Diese 23 URBACT Good-Practice-Städte haben auch vom Austausch mit anderen Städten und mit URBACT-Experten profitiert und konnten so ihren Ansatz weiter verbessern. URBACT Good-Practice-Städte haben durch die URBACT Netzwerke und darüber hinaus eine Vorbildfunktion. Dieses Potenzial zur Übertragbarkeit ist ein wichtiges Kriterium für eine Auszeichnung: Die Praxis sollte auf verschiedene Kontexte und Regionen anwendbar sein.

So hat Ljubljana (SI) im Jahr 2015 das Programm „Bienenpfad“ ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für das Imkererbe der Stadt zu schärfen: über 300 Imker, 4.500 Bienenstöcke und mehr als 180 Millionen Bienen. Der Pfad ist so angelegt, dass Besucher:innen die Bedeutung der Bienen für unser Überleben erkennen und gleichzeitig die Imkerei- und Honigkultur der Stadt entdecken können.  
 
Im Mittelpunkt steht dabei die Sensibilisierung für die städtische Artenvielfalt und deren Erhalt, wie auch der Beitrag zu einem nachhaltigeren Zusammenleben in Ljubljana. Das Vermächtnis lebt jetzt durch das Transfer-Netzwerk BeePathNet  und ein europaweites Netzwerk bienenfreundlicher Städte ('Bee Path Cities') weiter.  

Erfahren Sie mehr über Bee Path Cities und sehen Sie sich Beispiele an, wie dieser Ansatz in Bydgoszcz (PL) und anderen europäischen Städten umgesetzt wurde.


2014 gründete Piräus (EL) Blue Growth Piraeus: eine Initiative für nachhaltige Stadtentwicklung mit Schwerpunkt auf der blauen Wirtschaft. Diese Initiative, die noch unter dem Eindruck der globalen Finanzkrise von 2008 stand, sollte die lokale maritime Wirtschaft ankurbeln. Blue Growth Piraeus zielt darauf ab, Start-ups bei der Entwicklung von Dienstleistungen und Lösungen für die maritime Wirtschaft zu unterstützen und zu fördern, die an den digitalen Wandel angepasst sind. Piräus konnte seine URBACT Good Practice als Projektleiterin des BluAct Transfer-Netzwerks (2018-2021) und eines weiteren Pilot-URBACT-Transfer-Netzwerks, BluAct second wave (2021-2022), weitergeben. Was in Piräus beobachtet wurde, lässt sich leicht auf andere europäische Städte mit Küsten- oder maritimer Wirtschaft übertragen und anpassen.

Die Übertragbarkeit wurde in Mataro (ES), wo die fünf Phasen des Wettbewerbs „Blue Growth Piräus“ angepasst wurden und auch in anderen Partnerstädten im BluAct Transfer-Netzwerkes bewiesen.
 

Preston (GB) hat ein Beschaffungsverfahren entwickelt, welches die lokale Wirtschaft ankurbelt und gleichzeitig den Unternehmen hilft, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern und die soziale Ausgrenzung bekämpft. Die Praxis basiert auch auf einem partizipatorischen Ansatz, bei dem öffentliche Einrichtungen (Universitäten, Krankenhäuser) und Einrichtungen des sozialen Sektors in der Stadt zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass ihre Beschaffungsausgaben genutzt werden, um der lokalen Wirtschaft zusätzlichen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nutzen zu bringen. 

Das entwickelte Toolkit und eine Videoreihe haben sich als nützliche Instrumente für die Weitergabe des Wissens und der Erkenntnisse aus den Erfahrungen der Stadt Preston erwiesen.

Die Praxis wurde effektiv auf Koszalin (PL) und andere europäische Städte, die am Making Spend Matter Transfer-Network beteiligt waren, übertragen.  

 

Erfahren Sie mehr: Der URBACT-Call for Good Practices ist noch bis 30. Juni 2024 geöffnet

 

URBACT Good Practices gibt es in allen Formen und Größen; der Wert eines guten Praxis-Beispiels geht über eine bestimmte Stadt oder ein bestimmtes Beispiel hinaus. Dennoch weisen sie auf eine gemeinsame Linie für erfolgreiche und dauerhafte Ansätze zur Entwicklung und Übertragung einer Praxis hin. Erstens müssen die Stadtverwaltungen im Rahmen der Zielsetzungen der EU-Regionalpolitik arbeiten, um gute Praktiken umzusetzen. Zweitens ist für die vielschichten Herausforderungen, mit denen Städte und Gemeinden heute konfrontiert sind ein partizipativer und integrierter Ansatz erforderlich. Drittens müssen die lokalen Gemeinschaften auf allen Ebenen der nachhaltigen Stadtpolitik inspiriert und einbezogen werden. Viertens zeigt die Praxis dank der URBACT-Transfer-Netzwerke und die Übertragbarkeit auf andere Städte und andere Situationen eine größere Wirkung in Europa. Letztendlich können URBACT Good-Practice-Städte durch die Leitung von Transfer-Netzwerken die Umsetzung ihrer eigenen Praxis verbessern, indem sie die Erkenntnisse ihrer Partnerstädte und der URBACT-Experten für ihre Stadt nutzen.

Sind Sie an einer Bewerbung interessiert? Alles, was Sie über den URBACT-Call for Good Practices wissen müssen finden Sie unter urbact.eu/get-involved.

 

Die Übersetzung basiert auf dem URBACT Artikel "URBACT Good Practices: What’s in a name?"

Submitted by Martina Bach on 13/05/2024
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Martina Bach

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